Nach dem „leichten Genießen“ in der Juni-Ausgabe setzen wir unsere kulinarische Reise fort – diesmal quer durch Spaniens Regionen.
Wer durch Spanien reist, entdeckt nicht nur eine beeindruckende landschaftliche Vielfalt – von grünen Bergen bis hin zu sonnenverbrannten Ebenen –, sondern auch eine kulinarische Landkarte voller regionaler Eigenheiten. Im Sommer entfalten sich diese Genüsse besonders frisch, leicht oder raffiniert – und oft fernab der bekannten Klassiker wie Paella oder Tortilla.
Unser Streifzug führt durch einige ausgewählte Regionen Spaniens. Jede Station präsentiert ein typisches Sommergericht – ergänzt durch passende Getränkeempfehlungen, kleine kulturelle Einblicke und saisonale Frische.
Galicien: Pulpo a la Gallega – der Atlantik auf dem Teller
Im grünen Nordwesten Spaniens ist der Atlantik nicht nur allgegenwärtig, sondern auch kulinarische Hauptfigur. Das galicische Nationalgericht Pulpo a la Gallega (auch Pulpo a Feira) ist ein Paradebeispiel für einfache, aber ausdrucksstarke Küche: zarter Tintenfisch, in dicken Scheiben auf einem Holzbrett serviert, mit grobem Meersalz, süßem Paprikapulver (pimentón) und einem Spritzer Olivenöl.
Serviert mit gekochten Kartoffelscheiben (cachelos) ergibt sich ein Gericht, das leicht, sättigend und äußerst fotogen ist – vor allem, wenn es traditionell auf rustikalem Holz angerichtet wird.
Getränketipp: Ein kühler Albariño aus der DO Rías Baixas – fruchtig, salzig, mit frischer Säure – ist der ideale Begleiter
Navarra: Menestra de Verduras – Sommergemüse, wie es sein sollte
Wer Navarra hört, denkt an Pamplona und Stierläufe – doch die Region glänzt auch mit einer raffinierten Gemüse-Tradition. Die Menestra de Verduras ist ein wahres Sommergedicht: ein Ragout aus Erbsen, Artischocken, grünen Bohnen, Karotten und manchmal auch Spargel – je nach Saison und Ernte.
Das Gericht ist bunt, frisch, leicht und sättigend. Oft wird es mit etwas Serrano-Schinken oder einer leichten Brühe verfeinert, manchmal auch mit einem pochierten Ei serviert. Ideal für Vegetarier – aber auch für alle, die den Sommer in seiner ganzen Aromenfülle schmecken wollen.
Getränketipp: Ein frischer Rosado aus Navarra – zum Beispiel aus der Garnacha-Traube – passt wunderbar und bringt Fruchtigkeit und Struktur mit.
Baskenland: Marmitako – der Eintopf der Seeleute
Im Norden, wo das Kantabrische Meer auf die schroffen Küsten des Baskenlands trifft, entstand Marmitako – ein herzhafter Fischeintopf, den die Fischer traditionell direkt an Bord zubereiteten. Im Mittelpunkt steht frischer Thunfisch (Bonito del Norte), begleitet von Kartoffeln, Paprika, Tomaten und Zwiebeln. Die Zutaten werden in einem Topf – baskisch „marmita“ – geschmort, bis sich alle Aromen verbinden.
Auch wenn Eintopf nach Winter klingt, ist Marmitako ein Sommergericht – denn Bonito wird nur in den heißen Monaten gefangen. Auf dem Teller: rustikal, farbenfroh und voller Meeresaroma.
Getränketipp: Ein junger Txakoli – leicht perlend, mit frischer Säure – bringt Küstenfrische ins Glas.
Bonito encebollado – Weißer Thunfisch mit Zwiebeln
Die Bonito del Norte, eine edle Thunfischart des Nordatlantiks, wird im Sommer frisch vor der kantabrischen Küste gefangen – ein saisonales Highlight für Fischliebhaber. In diesem Gericht wird das zarte, feste Fleisch kurz in gutem Olivenöl angebraten und anschließend auf einem Bett aus langsam geschmorten, süßlichen Zwiebeln angerichtet.
In der gehobenen Küche greifen manche Gourmet-Restaurants die traditionelle Zubereitung auf und interpretieren sie raffiniert neu: So werden die Zwiebeln zunächst in einer feinen Soßenbasis karamellisiert und dann langsam zu einer samtigen, aromatisch dichten Creme eingekocht. Das verleiht dem Gericht zusätzliche Tiefe und eine seidige Textur – ein feines Spiel zwischen Bodenständigkeit und Eleganz.
Weinempfehlung: Ein gekühlter Txakolí mit feiner Perlage – perfekt zur maritimen Note.
Bemerkenswert: Bonito wird nachhaltig mit der Angel gefangen. In baskischen Dörfern ist seine Ankunft jedes Jahr ein Fest.
Katalonien: Escalivada – geröstete Aromen der Sonne

In der Mittelmeerküche Kataloniens wird Gemüse nicht gekocht, sondern gegrillt: Escalivada heißt diese traditionelle Spezialität, bei der Paprika, Auberginen und Zwiebeln langsam im Ofen oder auf dem Grill rösten, bis ihre Haut dunkel und das Innere samtig ist.
Nach dem Häuten werden die Gemüsestreifen mit Olivenöl und Knoblauch mariniert – fertig ist ein sommerlich-leichtes Gericht, das warm oder kalt gegessen werden kann. Oft serviert man es auf geröstetem Brot oder mit etwas gesalzenem Fisch wie Anchovis.
Getränketipp: Ein Weißwein aus der DO Costers del Segre oder ein kühler Cava – prickelnd und mediterran.
Kulturell: Escalivada gehört zur katalanischen Sommerküche wie der Ventilator zum Balkonabend.
Aragón: Pollo al chilindrón – Hähnchen mit Paprika und Serrano

Ein rustikales, herzhaftes Gericht aus Zentralspanien. Zarte Hähnchenteile schmoren in einer Sauce aus Tomaten, Paprika, Zwiebeln, Knoblauch – und fein gewürfeltem Serranoschinken. Die Schärfe lässt sich variieren.
Getränkeempfehlung: Ein frischer Garnacha rosado aus Cariñena – fruchtig, aber mit Rückgrat.
Hintergrund: Chilindrón ist in vielen Regionen bekannt, doch nur Aragón verleiht ihm diesen besonderen Charme – herzhaft, aber sommerlich.
Kastilien-La Mancha: Pisto Manchego – Spaniens Antwort auf Ratatouille
Im Herzen der Iberischen Halbinsel, wo die Felder sich bis zum Horizont erstrecken, lebt die Küche von einfachen, ehrlichen Zutaten. Pisto Manchego ist ein Paradebeispiel: Ein Schmorgemüse aus Zucchini, Tomaten, Paprika, Zwiebeln und Knoblauch, oft gekrönt von einem Spiegelei oder pochierten Ei.
Der Geschmack ist intensiv, die Textur weich, die Farben leuchtend – perfekt für den Sommer. Und auf jedem Teller fotogen, ob rustikal in Ton serviert oder modern angerichtet.
Getränketipp: Ein junger Tempranillo aus La Mancha – unkompliziert, rund und gut gekühlt ein überraschender Begleiter.
Valencia: Clóchinas al vapor – Miesmuscheln auf valencianische Art
Ein einfaches, aber aromatisch intensives Sommergericht: Clóchinas – die kleineren, besonders geschmacksintensiven Miesmuscheln der Region – werden mit etwas Olivenöl, Weißwein, Knoblauch, Lorbeer und einem Hauch schwarzem Pfeffer gedämpft. Die Brühe ist purer Meeresgeschmack, leicht salzig, feinwürzig – und ideal zum Tunken mit Weißbrot.
Dazu passt: Ein frischer, kühler Weißwein aus der Region, etwa ein Moscatel seco oder ein trockener Malvasía. Auch ein Glas Cava brut harmoniert hervorragend.
Wissenswert: Clóchinas gibt es nur von Mai bis August – sie gelten als regionale Delikatesse und werden wegen ihres intensiven Aromas oft höher geschätzt als klassische Miesmuscheln. In Valencia sind sie fester Bestandteil der Sommerküche.
Murcia: Lomo de cerdo a la Murciana – Schweinelende mit Weißwein, Knoblauch und Mandeln
Zartes Schweinefilet – typisches Fleisch der Region – wird in feine Medaillons geschnitten, kurz scharf angebraten und anschließend in einer sämigen Soße aus Weißwein, Knoblauch, gerösteten Mandeln und einem Hauch Zimt geschmort. Manchmal werden noch einige Weintrauben oder ein Spritzer Pedro Ximénez für die Süße hinzugegeben. Die Kombination aus würziger Tiefe und feiner Mandelnote macht das Gericht zu einem Highlight der murcianischen Hausmannskost – mit elegantem Charakter.
Dazu passt: Ein kräftiger, gut gekühlter Weißwein aus der DO Yecla oder Jumilla – gern ein gereifter Macabeo oder ein Chardonnay mit Fassausbau. Auch ein leichter Tinto Joven aus Monastrell-Trauben kann eine spannende Kombination bieten.
Kulturfaktor: Die Küche Murcias verbindet maurische Wurzeln mit bäuerlicher Kreativität – Mandeln, Knoblauch und Wein sind dabei feste Bestandteile. Dieses Gericht zeigt, wie aus einfachen Zutaten kulinarische Eleganz entsteht – ganz ohne Überladenheit.
Andalusien – Malaga: Porra Antequerana – der dicke Bruder des Gazpacho

Aus der Hitze Andalusiens stammt eines der ursprünglichsten Sommergerichte: Porra Antequerana, benannt nach der Stadt Antequera. Diese kalte Suppe wird dicker püriert als ihr berühmter Verwandter Gazpacho – mit viel Tomate, altem Brot, Knoblauch, Olivenöl und Essig.
Serviert wird Porra klassisch mit hartgekochtem Ei und etwas Thunfisch oder Jamón – eine frische, sättigende Mahlzeit für heiße Tage. Cremig, farbintensiv, andalusisch.

Getränketipp: Ein frischer, mineralischer Weißwein aus der DO Sierras de Málaga oder ein Glas gut gekühlter Fino-Sherry.
Málaga: Frischer Ziegenkäse-Salat mit Früchten – Sommer auf dem Teller
Die Region Málaga ist bekannt für ihre süßen Tropfen und ihre vielfältige Obst- und Gemüsevielfalt – ideal für einen sommerlichen Salat, der Frische, Cremigkeit und eine leichte Süße vereint. Ein beliebter Klassiker ist der Ziegenkäse-Salat mit saisonalen Früchten, der hier mit lokalem Käse aus den Bergen und süßen Früchten wie Feigen, Trauben oder Granatapfel zubereitet wird.
Der Salat kombiniert knackigen Blattsalat, zarte Ziegenkäseröllchen – oft leicht gegrillt oder frisch –, mit saftigen Obststücken und gerösteten Nüssen oder Mandeln. Ein spritziges Dressing aus Olivenöl, Honig, Zitronensaft und etwas Senf rundet das Gericht perfekt ab. Die Kombination aus cremigem Käse, fruchtiger Süße und knackigem Gemüse macht diesen Salat zu einer erfrischenden Leichtigkeit, die ideal zu den warmen Temperaturen Andalusiens passt.
Getränketipp: Ein frischer Weißwein aus der DO Sierras de Málaga, zum Beispiel ein Moscatel mit floralen Noten und milder Süße, ergänzt die Aromen wunderbar.
Kultureller Einblick: In Málaga ist diese Art von Salat nicht nur eine Vorspeise, sondern steht oft auch als leichter Hauptgang auf dem Tisch – perfekt für den lauen Sommerabend auf der Terrasse mit Blick aufs Mittelmeer.
Kanarische Inseln: Papas arrugadas con mojo – kleine Kartoffeln, große Wirkung
Ein Gericht, das längst zum Symbol der kanarischen Küche geworden ist: Papas arrugadas, runzelige Kartoffeln, die in stark gesalzenem Wasser gekocht werden, bis sich eine dünne Salzkruste bildet. Dazu serviert man Mojo – die berühmte Sauce in Rot (mit Paprika und Chili) oder Grün (mit Koriander oder Petersilie).
Ein einfaches Gericht, das durch seinen intensiven Geschmack und seine rustikale Präsentation begeistert – perfekt als Tapa oder Hauptgericht in Begleitung eines frischen Salats.
Getränketipp: Ein Weißwein von der Insel Lanzarote, etwa aus der Malvasía-Traube – salzig, fruchtig, mit Vulkan-Charakter.
Ob Atlantikküste, Hochebene oder Vulkaninsel – Spaniens Regionen zeigen sich auch im Sommer von ihrer geschmackvollsten Seite. Jedes Gericht dieser Auswahl erzählt von Landschaften, Menschen und Traditionen – und bleibt dabei leicht genug, um auch bei 35 Grad ein Lächeln zu zaubern.
Spanien lebt von regionaler Vielfalt, die überrascht, begeistert und schmeckt. Also, Messer und Gabel bereit und „Buen provecho“ !
Text – Cesar Certier – Spanien aktuell ©