Sommer in Spanien – das klingt nach Lebensfreude, Musik und Nächten am Meer. Doch in so manchem Urlaubsort bleibt von dieser Vorstellung nicht viel übrig. Statt Leichtigkeit und Gastfreundschaft gibt es Genehmigungen, Vorschriften und Polizeieinsätze. Willkommen in „Torre del Drama“. Der Ortsname ist fiktiv – das, was folgt, ist es nicht.
Der Werbeslogan „Torre del Drama todo el año“ – also: „Torre del Drama das ganze Jahr“ – klingt modern und weltoffen. Die Stadt präsentiert sich auf internationalen Messen, will internationale Besucher locken, verspricht Sonne, Strand und spanische Lebensart. Doch das, was die Stadtverwaltung tatsächlich umsetzt, passt kaum dazu.
Beispiel: Noche de San Juan. Groß angekündigt: Bühne am Strand, Megaboxen ab 20 Uhr. Die ganze Stadt wird bis 1 Uhr beschallt. Das Problem: keine Toiletten! Keine mobilen Anlagen, die wenigen öffentlichen WCs verdreckt oder unbenutzbar. Wo sollen Tausende Besucher ihre Notdurft verrichten? Am Strand etwa? Der wird immerhin mit dem Gütesiegel „Qualität Q“ beworben – aber wer prüft den Sand nach so einem Event?
Zwei Wochen später: Weekend Beach Festival. 90.000 Besucher feiern drei Tage lang bis in die frühen Morgenstunden, Musik ist noch in zehn Kilometern Entfernung zu hören. Weitere zwei Wochen später folgt die Feria – tagsüber und nachts wird getrunken, Musik dröhnt unter Zelten durch die Stadt, die Kirmes gleicht einer Open-Air-Disco. Und wieder: kaum oder keine Toiletten. Beschwerden wegen Lärm oder fehlender Sanitäranlagen? Fehlanzeige – oder von Polizei und Behörden wegen Dauerbeschallung schlichtweg überhört.
Nach geltender Gesetzeslage – etwa dem Real Decreto 2816/1982 – sind Veranstalter verpflichtet, bei öffentlichen Events für eine ausreichende sanitäre Infrastruktur zu sorgen. Die andalusischen Vorschriften (u.a. Decreto 155/2018 und Decreto 195/2007) verlangen zudem, dass Großveranstaltungen nicht nur sicher, sondern auch hygienisch und technisch korrekt umgesetzt werden. All das ist keine nette Zugabe – es ist Teil der Genehmigungsauflagen.
Während bei städtischen Großevents großzügig weggesehen wird – sowohl was Lautstärke als auch Hygiene angeht –, weht für lokale Beachclubs und Chiringuitos ein ganz anderer Wind.
Wie hieß es so treffend bei Roland Kaiser 1984: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“
So geschehen in einem Beachclub, wo die Sängerin „Blanca Flor“ mit einem Gitarristen auftrat – angenehme Live-Musik, die fast niemanden störte. Nach 15 Minuten stand die Polizei auf der Terrasse, ließ die Lautsprecher abschalten und abbauen. Zumindest offiziell war die Veranstaltung damit beendet – doch Blanca machte weiter: unplugged, zwischen den Gästen an den Tischen. Der Applaus wurde lauter, der Widerstand spürbar. Quer über die Tische wurde über die Unsinnigkeit solcher Verbote diskutiert. Fazit: Wer Stille sucht, sollte Urlaub auf dem Land machen – nicht am Mittelmeer.
Und der Fall war kein Einzelfall. Laut Betreibern ist solches Vorgehen der Polizei inzwischen fast Alltag: Auch in benachbarten Beachclubs wird regelmäßig eingeschritten – oft mit ähnlichem Ablauf, teils ebenfalls mit Anzeigen. Die Botschaft: Musik ja – aber nur, wenn die Stadt sie selbst spielt.
Was steckt hinter dieser rigiden Verbotspolitik? Spießige Urlauber? Neidische Gastronomen? Oder ein Verwaltungsteam, das die Bedeutung kulturell lebendiger Gastronomie unterschätzt?
Dort, wo ein moderater Rahmen herrschen sollte, wo Live-Bands oder DJs bei angenehmer Lautstärke für Stimmung sorgen wollen, greift das Verbot.
Genehmigungen? Schwer zu bekommen. Akustische Gutachten? Pflicht. Konzessionen für Küstenbereiche? Unumgänglich. Einzelanträge für jeden einzelnen Auftritt – mindestens 30 Tage im Voraus. Eine Saisonerlaubnis? Fehlanzeige. Die Entscheidung liegt im Ermessen der Stadtverwaltung – oft abhängig von der Laune im Rathaus.
Mein Versuch, über Social Media eine Stellungnahme von der „Tenencias de Alcaldía“ zu Toilettenmangel und Dauerbeschallung bei städtischen Veranstaltungen sowie zu den Verboten bei Beachclubs & Co. zu erhalten, blieb unbeantwortet. Auch der Betreiber des betroffenen Beachclubs wandte sich direkt per WhatsApp an ihn – zweimal. Ebenfalls: Schweigen. Hörschaden – oder schlichtweg Ignoranz?
Torre del Drama steht sinnbildlich für das, was möglich wäre – wenn man denn wollte. Ein Ort mit Potenzial, der sich modern gibt, aber im Alltag zwischen Verboten, Ignoranz und vermeintlicher Planlosigkeit hin und her schwankt.
Bleibt die Hoffnung, dass Vernunft und Augenmaß im Stadtamt wieder Einzug halten.
Denn ein lebendiger Urlaubsort lebt von Gastfreundschaft und funktionierender Infrastruktur – nicht nur von lauten Stadtfesten und stillgelegten Beachclubs in Torre del Drama.