Ein gefundenes Spektakel für die Mainstream-Medien: „Orcas versenken Yacht nahe Spanien“, „Seenotrettung meldet erneuten Orca-Angriff auf Yacht“, „Mallorca-Regatta: erneut Orca-Zwischenfall mit Segelboot“ u. so weiter. In den vergangenen zwei Jahren häuften sich Berichte über die Interaktion von Orcas, auch als Schwertwale bezeichnet, mit Schiffen, insbesondere mit Segelnden. Aufgrund diverser Berichterstattungen werden Bootseigner u. Segelschiffskapitäne zusehends nervöser, wenn sie Orcas sehen, was dann auch dazu führt, dass wie am 17. August 2023 die Crew eines Katamarans auf Orcas in der Straße von Gibraltar schossen, als diese sich dem Schiff näherten. Am Sonntag, dem 12. Mai 2024, sank die Segelyacht „Alboran Cognac“ in der südlichen Einfahrt zur Straße von Gibraltar, nachdem sie von Orcas beschädigt worden war. Die Besatzung konnte unversehrt gerettet werden.

Die Frage ist: Warum machen diese Orcas das? Wollen sie den Menschen darauf aufmerksam machen, dass er zunehmend die Meere zerstört, indem er diese vermüllt, vergiftet, leerfischt u. sich uneingeschränkt aus den Meeren bedient, ohne Rücksicht auf sämtliche Meeresbewohner?

Orcas sind intelligent, u. es stört sie eventuell, dass dort pausenlos jemand durch ihr Wohn- sowie Kinderzimmer fährt u. dazu noch durch permanente Lärmbelästigung auf sich aufmerksam macht?!

Stellen Sie sich vor, durch Ihre Wohnung laufen täglich Fremde, die Müll in Ihre Wohnung schmeißen, laut dabei grölen, den Kühlschrank leerräumen, u. zu guter Letzt das Mobiliar beschädigen? Wie fänden Sie das?

Eins ist so klar wie das Mittelmeer: Der Mensch gehört nicht zu den Meeresbewohnern u. ist dort eine invasive Art.

Gut, lassen wir die Polemik beiseite u. befassen uns damit, warum diese Orcas so eine Leidenschaft für Segelschiffe haben könnten. Vorab noch ein Hinweis: Es gibt keinen einzigen dokumentierten Fall, dass Orcas in freier Wildbahn Menschen angegriffen haben oder gezielt versucht haben, Boote zu versenken. Ihre Größe u. ihr Gewicht von bis zu 3,6 Tonnen könnten dies jedoch problemlos bewirken.

Im Juli 2020 wurde vor der Küste von Cádiz die erste Begegnung eines Orcas mit einem Segelschiff dokumentiert. Warum haben es die intelligenten Meeressäuger auf Segelschiffe, vorwiegend unter 15 m Länge, abgesehen? Ausgerechnet auf Segelschiffe, möchte man sagen, sind sie doch eine der umweltfreundlichsten Arten der Fortbewegung auf dem Wasser. Hinweise auf aggressives Verhalten sehen die Forschenden nicht. Sie sprechen daher grundsätzlich auch nicht von „Angriffen“, sondern von Interaktionen. Mögliche Ursachen für das atypische Verhalten könnten Nahrungskonkurrenz mit Fischern oder zu intensive Schifffahrt sein. Vielleicht war ein Konflikt mit Fischern der Auslöser: Diese Orcas bedienen sich sehr zum Unmut der Fischer gerne an den Langleinen von geköderten Thunfischen, die in der Meerenge von Gibraltar verwendet werden. Oder ein Orca hatte eine schlechte Erfahrung mit einem Segelschiff gemacht, die das neuartige Verhalten auslöste. Vielleicht haben die intelligenten Meeressäuger auch einfach nur etwas Neues entdeckt, das Spaß macht.

Kulturelle Entwicklung des „Boote stoppen“ bei den Gibraltar-Orcas? Wie es aussieht, lernt mittlerweile auch der Nachwuchs dieses Verhalten von den erwachsenen Tieren. Mehrmals waren Jungtiere während der Interaktionen dabei u. sahen den Erwachsenen zu. Damit könnte sich diese Verhaltensweise in der Population manifestieren u. fortbestehen. Man geht davon aus, dass der Nachwuchs das „Boote stoppen“ von den Erwachsenen lernt. Vieles spricht dafür, dass wir es hier mit einer kulturellen Entwicklung zu tun haben. Eine Kultur, die darin besteht, bestimmte Boote zu stoppen. Sie wissen genau, was sie dafür machen müssen. Es ist eine mehr als erstaunliche u. faszinierende Intelligenzleistung u. gleichzeitig ein Dilemma. Das Ganze hat sich anscheinend verselbstständigt. Der ursprüngliche Auslöser spielt wahrscheinlich keine Rolle mehr. Sie machen das, weil sie es können, u. weil es ihnen möglicherweise in irgendeiner Form Freude bereitet. Vielleicht trainieren sie mit diesen mehr als ungewöhnlichen Aktionen auch den sozialen Zusammenhalt oder es sind Koordinationsübungen, ähnlich wie beim Fußballtraining in Kleingruppen.

Es ist unbedingt notwendig, nicht-invasive Lösungen zu finden, damit Segler, Begegnungen mit den vom Aussterben bedrohten Gibraltar-Orcas ohne „Boote stoppen“ verlaufen u. Orcas sowie Segler das Meer weiterhin gemeinsam ohne Zwischenfälle genießen können.