Global eingesetzt u. überall präsent! Worum geht es?
Es geht um „Pestizide» (von lat. pestis = Seuche, lat. -cida = -tötend).
Derzeit halten vier Unternehmen – Bayer, BASF, Syngenta/ChemChina u. Corteva – fast 3/4 des Pestizidmarktes u. fast 60 % des Marktes für landwirtschaftliches Saatgut. Mit Ausnahme von Syngenta/ChemChina, das sich im Besitz des chinesischen Staates befindet, gehören alle diese Unternehmen zum Teil denselben US-amerikanischen Investmentfonds: Blackrock, Vanguard, State Street, Capital Group u. Fidelity, die im Übrigen zwischen 10 u. 30 % des Kapitals der weltweit führenden Lebensmittelkonzerne wie Unilever, Nestlé u. Coca-Cola halten. Die Entscheidungszentren dieser Unternehmen liegen größtenteils außerhalb Europas u. sind Gegenstand intensiver Lobbykampagnen.
In den letzten 20 Jahren hat sich der Weltmarkt für Pestizide verdoppelt u. erreichte im Jahr 2020 einen Umsatz von 53 Milliarden €. Die EU gehört sowohl zu den größten Verbrauchern als auch zu den größten Exporteuren auf internationaler Ebene. Weltweit liegt die jährlich ausgebrachte Pestizidmenge bei ca. 4 Millionen Tonnen, Tendenz steigend.
Die Chemikalien bleiben nicht immer dort, wo sie angewendet werden. Sie sind in Lebensmitteln u. Getränken, in der Luft, im Grundwasser, im Gras auf Spielplätzen u. sogar im menschlichen Urin. Mit dem Wind können sie zum Beispiel auf Nachbarfelder, in Schutzgebiete oder Bio-Äcker gelangen, auf denen keine Pestizide gespritzt werden. Mit dem Regen erreichen sie tiefere Bodenschichten u. dadurch auch das Grundwasser sowie Seen u. Flüsse. Einige Pestizidwirkstoffe legen große Strecken zurück, von einigen hundert Metern bis über 1000 Kilometer, wie im Pestizidatlas 2022 der Heinrich Böll Stiftung festgehalten.
Der Name ist Programm, Pestizide zählen zu den gefährlichsten Umweltgiften der Welt. Zirka 5000 verschiedene Spritzmittel werden rund um den Globus angewendet. Die Liste an möglichen Erkrankungen ist entsprechend lang. Akute u. chronische Hauterkrankungen, Krebs, Fruchtbarkeits- u. Erbgutschäden, Missbildungen bei Neugeborenen. Dem Pestizidatlas der Heinrich Stiftung 2022 zufolge belegen Studien einen Zusammenhang zwischen Pestiziden u. Parkinson sowie Leukämie im Kindesalter. Darüber hinaus werden Pestizide mit einem erhöhten Risiko für Leber- u. Brustkrebs, Diabetes Typ 2, Asthma, Allergien, Adipositas u. Störungen der Hormondrüsen in Verbindung gebracht. Auch etwa Frühgeburten u. Wachstumsstörungen lassen sich auf Kontakt mit Pestiziden zurückführen. Problematisch ist auch, dass einige Pestizide hormonell wirksam sind. In der Landwirtschaft sollen sie etwa die Vermehrung von Insekten verhindern. Doch solche „Endokrine Disruptoren» (EDCs) können die Hormonsysteme von Mensch u. Tier stören, indem sie wie körpereigene Hormone wirken oder deren Wirkung hemmen. Studien zeigen auch, dass hormonell wirksame Pestizide die menschliche Spermienkonzentration senken. Besonders gefährdet sind die Arbeiterinnen und Arbeiter, die den Spritzgiften tagtäglich ausgesetzt sind: Aus einer Studie von 2020 geht hervor, dass pro Jahr weltweit rund 385 Millionen Menschen in der Landwirtschaft eine akute Pestizidvergiftung erleiden. Diese äußert sich etwa in Form von Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Kopf- u. Gliederschmerzen bis hin zu Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall. Auch das menschliche Nervensystem kann beeinträchtigt werden. Bei schweren Verläufen versagen Herz, Lunge oder Nieren. Daran sterben weltweit jährlich etwa 11.000 Menschen. Dennoch werden Pestizide weiterhin eingesetzt.
Die öffentlichen Ausgaben für die Wasserreinigung, die Behandlung von berufsbedingten Krankheiten durch Pestizide, die Kosten für die Implementierung europäischer Pestizidvorschriften u. die finanzielle Unterstützung des Pestizidsektors durch staatliche Mittel werden auf mindestens 2,3 Milliarden € jährlich für die EU geschätzt.
Im Vergleich dazu haben agrarökologische u. diversifizierte Modelle ihre größere Nachhaltigkeit u. Widerstandsfähigkeit unter Beweis gestellt. Investitionen in diese Modelle sind nachhaltiger u. könnten langfristig zu einer Verringerung der gesundheitlichen u. Umweltauswirkungen von Pestiziden führen. Zwar sind auch für den Übergang Investitionen erforderlich, aber in geringerem Maße, u. vor allem sind sie nachhaltiger. So würde beispielsweise das Ziel der „Farm to Fork»-Strategie der EU, die Zahl der Bio-Bauernhöfe bis 2030 zu verdreifachen, laut dem französischen nationalen Forschungsinstitut für Landwirtschaft, Lebensmittelwesen u. Umwelt INRAE jährlich 1,85 Milliarden € kosten – weniger als die Kosten, die der Gesellschaft in der EU jedes Jahr durch Pestizide entstehen. Die EU muss ihrer Verantwortung gerecht werden u. zwischen einem teuren, umweltschädlichen Modell u. einem nachhaltigen agrarökologischen Modell wählen, das von den Bürgern u. Landwirten unterstützt wird – im Interesse der Ernährungssouveränität u. des Planeten.