Agrarkonzerne verschaffen sich mit Patenten auf Saatgut immer mehr Kontrolle über unsere Lebensmittel. Saatgut, das eigentlich ein über Jahrtausende gewachsenes Gemeingut ist und eine ganz wunderbare Eigenschaft hat: Es vervielfältigt sich! Die EU-Rechtsvorschriften über die Vermarktung von Saatgut haben sich seit den 1960er Jahren zu einem komplexen Geflecht von Instrumenten entwickelt, das im Laufe der Zeit mehrfach geändert wurde.

Heute ist Saatgut ein Gewinnfaktor für einige wenige Unternehmen, die den Weltmarkt dominieren. Die meisten Samen sind durch technische Mechanismen, wie die Hybridzüchtung, biologisch nicht mehr sortenfest vermehrbar oder durch rechtliche Mechanismen, wie Patente und Sortenschutz, nicht mehr frei zugänglich. Gleichzeitig geht das kulturelle Wissen darum, wie Saatgut vermehrt oder gezüchtet wird, fast schneller als die Sortenvielfalt selbst verloren.

Auch die Entwicklung, Verwendung und Kontrolle von Saatgut ist seit jeher ein politisch brisantes Thema, nicht nur in der EU, sondern weltweit. Während traditionell mehr als 6.000 Pflanzenarten zur Nahrungsmittelerzeugung angebaut wurden, tragen heute weniger als 200 Arten wesentlich zur Nahrungsmittelproduktion bei, und nur 9 Pflanzenarten machen 66% der gesamten Pflanzenproduktion aus. Insgesamt ist die Europäische Union nach den Vereinigten Staaten und China drittgrößte Saatgutmarkt der Welt und macht etwa 20% des Weltmarktes aus. Der europäische Saatgutmarkt hatte im Jahr 2021 einen Wert von 16,77 Mrd. USD und wird bis 2026 schätzungsweise 25,68 Mrd. USD erreichen, insbesondere aufgrund der steigenden Nachfrage nach Getreide, Ölen und Gemüse sowie Tierfutter.

Der Zugang zum Saatgutmarkt ist in der EU für bäuerliche Gemeinschaften, Erhaltungsorganisationen, Startups und einzelne Landwirte, die vielfältige, lokal erzeugte Sorten anbieten, die an die Bedürfnisse der agrarökologischen und ökologischen Produktion angepasst sind, schwierig. Organisationen wurden sogar verklagt, weil sie Saatgut verkauften, das nicht in den offiziellen Saatgutkatalogen eingetragen war, wie in dem berüchtigten Gerichtsverfahren von 2008 zwischen der französischen Vereinigung Kokopelli und dem Unternehmen Graines Baumaux, das bis zum Europäischen Gerichtshof ging.

Heute beherrschen die drei Konzerne Bayer-Monsanto, Dow-DuPont und ChemChina-Syngenta mehr als 60% des weltweiten Saatgutmarktes. Nebenbei bemerkt „Es sind die gleichen Konzerne, die 70% des Pestizidmarktes innehaben“. Mit gentechnischen Verfahren erzeugte Sorten, aber inzwischen auch einige Ergebnisse herkömmlicher Züchtung, werden vermehrt mit Patenten geschützt. Dabei befinden sich 97% aller Saatgut-Patente in den Händen von Unternehmen aus Industrieländern, obwohl 90% der biologischen Ressourcen ursprünglich aus dem Globalen Süden stammen.

Saatgutgesetze weltweit ignorieren oder kriminalisieren die alltägliche und vielerorts noch selbstverständliche Praxis von Bauern, Saatgut zu vermehren, zu tauschen und zu verkaufen. So wurden in Kolumbien 2008 ein Freihandelsabkommen mit den USA abgeschlossen, dass in der „Richtline 970” vorsieht, dass nur noch zertifiziertes Saatgut verwendet werden darf. Daraufhin wurden zwischen 2010 und 2012 vom kolumbianischen Institut für Landwirtschaft etwa 4.200 Tonnen bäuerliches, nicht-zertifiziertes Reis-, Kartoffel-, Mais und Weizensaatgut konfisziert und in einer Müllhalde verbuddelt!

Leider begünstigt der derzeitige Rechtsrahmen für die Saatgutvermarktung nur die Entwicklung und Verwendung einheitlicher Pflanzensorten, die für den industriellen Anbau bestimmt sind. Er schränkt die Nutzung der kultivierten Pflanzenvielfalt ein.

In Anbetracht dieser Entwicklungen wird deutlich: Wer unsere Saat kontrolliert, hat die Macht, unsere Ernährung zu bestimmen. Daher ist es an der Zeit, sich für den Schutz der Saatvielfalt einzusetzen. Denn eine vielfältige Saat ist nicht nur ‘gut’, sondern auch unsere beste Hoffnung für eine nachhaltige Zukunft. Diese Vereinheitlichung von Innovationen bringt erhebliche negative wirtschaftliche, soziale und ökologische Auswirkungen mit sich und unterstreicht die Dringlichkeit, Maßnahmen zum Schutz der Saatvielfalt zu ergreifen.01