Seit dem 1. Juli 2015 ist das Gesetz „protección de seguridad ciudadana“ (Gesetz zum Schutz des Bürgers) in Kraft. Beschützt von diesem Gesetz werden die Polizei und der Regierungsapparat, doch dem Bürger wird damit sein Recht auf freie Meinungsäußerung, Satire, Pressefreiheit und Demonstrationsrecht genommen. Es ist ein Gesetz zur Kontrolle des Bürgers und nicht zu dessen Schutz. Im Volksmund wird das Gesetz als „ley mordaza“, das Knebelgesetz, bezeichnet. Es knebelt im wahrsten Sinne des Wortes die Menschen in Wort und Tat.

Das „Ley mordaza“ sieht unter anderem vor das über Bürger „die unautorisiert Bilder von Polizeibeamten nutzen“ eine Geldstrafe zwischen 600 und 30.000 Euro verhängt werden kann. Für die Verbreitung von Presse-Fotos die Ordnungshüter in Szenen der Polizeigewalt auf Demonstrationen darstellt, können ebenfalls mit Geldstrafen mit bis zu 30.000 Euro geahndet werden. Das „Gesetz“ stellt auch ein Demonstrationsverbot in Nähe von Parlaments- und Senatsgebäuden dar. Verstöße werden mit Geldstrafen von bis zu 600.000 Euro bestraft. Ebenso Störungen öffentlicher oder religiöser Veranstaltungen können eine Geldbuße von bis zu 600.000 Euro nach sich ziehen. Nicht angemeldete, spontane Versammlungen auf öffentlichen Straßen oder Plätzen werden mit 100 bis 600 Euro geahndet. Demonstranten, die Zwangsräumungen aktiv behindern, werden mit Geldstrafen mit zu 30.000 Euro geahndet. Wem Respekt gegenüber Polizeibeamten fehlt, sich nicht ausweist, seinen Ausweis dreimal im Jahr verliert oder auf der Straße Alkohol konsumiert, wird mit einem Bußgeld von bis zu 600 Euro rechnen müssen.

Interessant ist das die Verstöße gegen das „Gesetz“ nur Ordnungswidrigkeiten bzw. verwaltungsrechtliche Sanktionen sind, welche nicht von einem Richter, sondern von einer Behörde gegen die Bürger verhängt werden kann. Somit ist der Rechtsweg im Vorfeld ausgeschlossen und das Bußgeld kann nur im Nachhinein juristisch angefochten werden, sollte der Kläger dazu finanziell überhaupt noch in der Lage sein. Damit hat die Legislative der Exekutive judikative Aufgaben übergeben. Durch diesen „Freibrief“ fällen die Polizeibeamten verwaltungsrechtliche Sanktion gegen die Bürger, sind also auch Richter und Vollstrecker.

Dieses „Gesetz“ soll nun abgeschafft werden ließ Ministerpräsident Pedro Sánchez im Oktober 2021 verlauten.

Im November 2021 rief die Polizeigewerkschaft Jusapol unter dem Motto „Nein zur Unsicherheit der Bürger“ zur Demonstration in Madrid auf und so wurde mit ca. 20.ooo Teilnehmern zum Parlament und zum Innenministerium marschiert. An der Kundgebung nahmen Tausende Beamte verschiedener Polizeieinheiten und die Chefs aller Parteien des konservativen Spektrums sowie der ultrarechten Vox teil. Normalbürger nahmen sicherlich aus gutem Grund nicht an der Demonstration zur möglichen Abschaffung des Gesetzes teil, das sie unter anderem ihrer Meinungsfreiheit beraubt. Seit der Verabschiedung des Gesetzes 2015 landeten immer wieder Künstler, Journalisten und andere Menschen wegen ihrer Texte, Meinungen und Arbeiten auf der Anklagebank. Nach der Verurteilung des Rappers Carlos Hásel zu neun Monaten Haft wegen Beleidigung des Altkönigs Juan Carlos gingen im Februar 2021 in ganz Spanien Zehntausende auf die Straßen.

In offenen Briefen klagten damals mehr als 300 Musiker, Schriftsteller, Schauspieler und Künstler, darunter die Hollywood-Stars Pedro Almodóvar und Javier Bardem, Spanien stelle sich „auf eine Stufe mit Ländern wie die Türkei oder Marokko, wo ebenfalls Künstler im Gefängnis sitzen, weil sie staatlichen Missbrauch anprangern“.

Die konservative Regierungschefin der Region Madrid, Isabel Díaz Ayuso, sieht das anders und bezeichnete die geplante Reform als „Angriff auf den Rechtsstaat“.

Und so sah z.B. die Internationale Föderation für Menschenrechte* (FIDH) am 31.03.2015 das „Gesetz zum Schutz des Bürgers“ : Unsere Organisationen fordern Spanien auf, dieses „Gesetz“ aufzuheben, das gegen die spanische Verfassung, internationale und europäische Menschenrechte und das Flüchtlingsrecht verstößt.

Ist schon eine komplizierte Sache mit dem Recht auf Schutz, und es liegt wahrscheinlich nur am Blickwinkel des zu Schützenden.

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