Kein Staat auf der Welt verfügt über so viel Erdöl wie Venezuela, doch die Menschen hungern. Politisch ist das Land tief gespalten.

Regiert wird das Land von Staatschef Nicolás Maduro, ein früher Busfahrer und heutiger Diktator mit linksradikalen Überzeugungen, dem von der Opposition des Landes übelste Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Der Staatschef ist auch offensichtlich mit schlechtem Umgang gesegnet, denn seine Frau Cilia Flores, wird von den USA beschuldigt, in den internationalen Drogenhandel verwickelt zu sein, weiterhin gibt es hohe Regierungsbeamte, die schon seit Jahren auf internationalen Sanktionslisten stehen.

In Venezuela geraten gerade über viele Jahre geltende Wahrheiten und Feindbilder ins Wanken.

Anfang März, zwei Wochen nach Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine, landet ein Mittelstreckenjet auf dem Airport von Caracas, an Board eine hochrangige diplomatische Delegation der US-Regierung .

Stunden später sitzen sie im Regierungspalast „Miraflores“ im Kreis um Präsident Nicolás Maduro, seiner Frau und Regierungsmitgliedern.

Die US-Regierung verhandelt plötzlich mit dem Regime von Nicolás Maduro?!?

Einzelheiten des Meetings zwischen Nicolás Maduro, seiner Frau Cilia Flores, Abgeordnete der Nationalversammlung von 2020, und des Präsidenten der Nationalversammlung, Jorge Rodríguez, mit Juan González, dem Beauftragten der US-Regierung für Lateinamerika, und James Story, US-Botschafter für Venezuela, der seinen Amtsgeschäften von Kolumbien aus nachgeht wurden zwar nicht bekannt, aber bei der Express-Visite ging es offenkundig um Öl.

Der Grund der USA die eingefrorenen Beziehungen zu Venezuela aufzutauen, sind anscheinend im Bedarf an Ersatz für Erdöllieferungen aus Russland und billigem Öl aus Venezuela zu suchen.

Maduro lobt am selben Abend im venezolanischen Fernsehen die Begegnung mit überschwänglichen Worten: „Wir hatten ein Treffen, das ich als respektvoll, herzlich und sehr diplomatisch beschreiben könnte“.

Kurze Zeit später setzt Maduro zwei von zwölf gefangenen auf freien Fuß. Es handelt sich dabei um Gustavo Cárdenas ein ehemaligen US-Ölmanager von Citgo, der US-Tochter des staatlichen venezolanischen Ölkonzerns PDVSA und José Alberto Fernández, ein Söldner kubanischer Herkunft, der mit drei anderen Agenten 2019 Nicolás Maduro kidnappen und in die USA ausfliegen wollte.

Die Idee der USA, nach dem verhängten Ölboykott gegen Russland den Ausfall durch Lieferungen aus Venezuela zu kompensieren, bewegt in Caracas die Gemüter. Wenige Tage nach den Gesprächen mit der hochrangigen US-Delegation und Maduro reagiert die Opposition in Venezuela mit emotionalen Botschaften.  „Ich hoffe, sie verstehen, dass Geschäfte mit Maduro zu machen bedeutet, die Hände mit Blut zu beflecken», sagt Oppositionspolitikerin Delsa Solórzano enttäuscht in Richtung Washington.

Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International berichteten ebenso wie die UN-Menschenrechtskommissarin Michele Bachelet zuletzt immer wieder über schwere Verletzungen demokratischer Grundrechte, Hinrichtungen ohne Gerichtsurteile und staatliche Repression durch die Sicherheitskräfte. Deswegen hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Vorermittlungen gegen Venezuela eingeleitet.

Diese Vorwürfe sind auch die Grundlage für die Sanktionen der USA sowie der Europäischen Union gegen Venezuela. Es wäre deshalb schwer politisch vermittelbar, wenn die USA einerseits wegen den Menschenrechtsverletzungen Russlands in der Ukraine auf russisches Öl verzichten würde, dies aber durch Öllieferungen aus einem anderen Land ersetzen würde, das ebenfalls in Verruf steht. Die venezolanische Opposition um Interimspräsident Juan Guaido besteht daher auf konkrete Fortschritte bei den Verhandlungen der USA mit der Maduro-Regierung in Richtung demokratische Transition.

Die USA hatten ab 2014 erst schrittweise Sanktionen gegen das Maduro-Regime erlassen und dann 2019 ein besonders scharfes Embargo verhängt.

Öl ist seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine knapp und teuer geworden, und Venezuela gilt immerhin als das Land mit den weltweit größten nachgewiesenen Ölreserven.

Wird den Amerikanern also in dieser neuen Weltlage das günstige Öl wieder wichtiger als die weitere Sanktionierung des  Maduro-Regimes?!?