Spanien boomt – zumindest, wenn es um den Tourismus geht. In den ersten acht Monaten dieses Jahres kamen über 64 Millionen Menschen ins Land und brachten beeindruckende 86,5 Milliarden Euro ein, ein Plus von fast 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch während sich die Hoteliers und Restaurantbesitzer freuen, wächst der Unmut bei den Einwohnern. Wo Touristen Hochkonjunktur haben, wird das Leben für die Ansässigen teurer – und ungemütlicher.
Besonders in Málaga zeigt sich das Problem. Mit über 12.000 legal registrierten Ferienwohnungen liegt die Stadt nur knapp hinter Madrid und Barcelona. Hinzu kommt eine unüberschaubare Zahl an illegalen Unterkünften, die dem Wohnungsmarkt zusetzen. Wohnungen zu finden, gleicht in Málaga der Suche nach einem Goldtopf am Ende des Regenbogens. Da wundert es nicht, dass eine fensterlose Garage plötzlich für 600 Euro im Monat als Wohnraum angeboten wird. Man möchte fast lachen, wenn es nicht so traurig wäre.
Die steigenden Mieten sind ein zentrales Problem, aber nicht das einzige. Massentourismus sorgt auch für Lärm, Umweltverschmutzung und Verkehrschaos. Besonders Barcelona kämpft mit diesen Begleiterscheinungen. Doch während Ansässige gegen die Auswüchse des Tourismus protestieren, bleibt Tourismusminister Jordi Hereu entspannt. Schließlich schafft der Tourismus Arbeitsplätze – im August stieg die Zahl der Beschäftigten im Sektor um 5,5 Prozent auf rund 2,9 Millionen.
Doch was nützt ein Job, wenn man sich das Leben in der eigenen Stadt nicht mehr leisten kann? Die Mietpreise schießen durch die Decke, während der Bestand an Sozialwohnungen in Spanien auf magere 1,5 Prozent der Gesamtwohnungen sinkt – weit unter dem europäischen Durchschnitt von neun Prozent. Über 60 Prozent der 18- bis 34-Jährigen leben noch zu Hause. „Besuchen Sie spanische Millennials in ihrem natürlichen Habitat – dem elterlichen Wohnzimmer!“, könnte der nächste Tourismustrend werden.
In Cádiz hat sich der Protest verschärft. „Ein Tourist mehr, ein Nachbar weniger“, hieß es hier auf den Straßen. Auf Mallorca, den Kanaren und in Barcelona brodelt es ebenfalls. Überall beklagen Bewohner den Ausverkauf ihrer Städte.
Die Lage ist so festgefahren, dass selbst Politiker handeln müssen. In Barcelona will Bürgermeister Jaume Collboni bis 2028 die Lizenzen für Kurzzeitvermietungen streichen – ein Plan, der Jahre bis zur Umsetzung braucht. Auch Madrid will Mietplattformen wie Airbnb stärker überwachen. Doch das Register wird frühestens Ende 2025 fertig. Bis dahin bleibt den Bewohnern nur abzuwarten oder selbst ein Stück vom Ferienwohnungskuchen zu ergattern.
Es gibt Hoffnung auf europäischer Ebene. Mit der EU-Verordnung 2024/1028 wurde im Mai 2024 ein rechtlicher Rahmen geschaffen, der es Mitgliedstaaten ermöglicht, Plattformen wie Airbnb & Co. strenger zu regulieren. Diese müssen monatlich Registrierungsnummern und vermietete Nächte an eine zentrale digitale Stelle übermitteln. Die Mitgliedstaaten haben bis Mai 2026 Zeit, diese Systeme zu implementieren. Dies soll den Wohnungsmarkt entlasten und illegale Vermietungen reduzieren – ein Hoffnungsschimmer, wenn auch nur ein erster Schritt.
Der Tourismus macht 14 Prozent des spanischen Bruttoinlandsprodukts aus, auf den Balearen sogar 35 Prozent. Gleichzeitig verschärft er die soziale Ungleichheit. Laut der Bank von Spanien leben 45 Prozent der Mieter am Rande der Armut. Der Tourismus mag blühen, doch für viele Einwohner bleibt die Lage bitter – ganz nach dem Motto: Des einen Freud, des anderen Leid.