Das Interesse reißt verständlicherweise nicht ab und wir bekommen viele Anfragen von Journalisten und Dokumentarfilmern.

Am liebsten würden sie wissen warum die Orcas Segelboote, aber auch andere kleiner Boote anrempeln. Sämtliche Wissenschaftler weltweit wüssten es genauso gerne. Vorangegangene Spekulationen dazu von uns gibt es hier und hier.

Aus der Perspektive von uns Menschen gäbe es für die Schwertwale genug Gründe gestresst zu sein: ihren Lebensraum haben wir mit Lärm verschmutzt, ihre wichtigste Nahrungsgrundlage in der Straße von Gibraltar, den Thunfisch, haben wir überfischt, und geächtete Treibnetze stellen immer noch eine Gefahr für sie und besonders für ihre Kälber dar. Zu allem Überdruss gibt es seit einigen Jahren einen Thunfischer in Tarifa, der mit Stromschlägen arbeitet, um Thunfische zu betäuben die am Angelhaken um ihr Leben kämpfen; auch das eine Gefahr für die hiesigen Orcas, die sich bei Gelegenheit die Fische von den Leinen schnappen.

2020, kurz nach dem zwei Monate andauernden umfangreichen Corona-Lockdown mit geschlossenen Häfen und himmlischer Ruhe für die Schwertwale, begannen die ersten drei jungen Weibchen mit ihrem neuen Hobby. Warum auch immer sie Geschmack daran fanden, die Ruder der anvisierten Boote anzuknabbern und zu rammen, weitere Schwertwale schlossen sich ihnen an. Es scheint für sie zu einem beliebten Spiel geworden zu sein. Auf Menschen haben sie es nicht abgesehen, es ist ziemlich sicher, dass selbst wenn ein Mannschaftsmitglied über Bord gehen sollte, nichts von den Walen zu befürchten wäre.

Es handelt sich nur um etwa 50 Schwertwale und nicht alle nehmen am Schabernack teil. Die, die Geschmack daran gefunden haben, werden sich vermutlich kaum davon abhalten lassen, so wie auch wir ungerne auf das verzichten, was uns Spaß macht. Statt wie in einigen sozialen Netzwerken den Teufel heraufzubeschwören und drakonische Maßnahmen zu seiner Beseitigung vorzuschlagen, sollten wir lernen damit zu leben und die Schwertwale am besten meiden.

Der Plan, der hier verfolgt wird, 6 von ihnen mit Sendern zu beschießen, stößt auf geteiltes Echo. Wir halten nicht viel davon, weil es eine invasive Maßnahme ist. Die anhand der aufgenommenen Positionsdaten erstellten Karten für Segler werden außerdem nicht wöchentlich aktualisiert, wie ursprünglich als Rechtfertigung versichert.

Auch konnte die letzte Interaktion vom 17.08.2023 mit Hilfe der oben genannten Karten nicht verhindert werden, bei der die Segler auf die Schwertwale geschossen haben. Gut, dass Whalewatcher dabei waren und es gefilmt haben, nun geht es den Seglern hoffentlich gebührend an den Kragen. In Folge hat sich die Wissenschaftsgemeinde dazu entschlossen, einen offenen Brief an die Medien zu senden.

Eine nicht invasive und unseres Erachtens bessere Möglichkeit ist die Registrierung aller bisher aufgenommenen Interaktionen, wie es die Arbeitsgruppe Orca Atlántica tut. Auf deren Seite gibt es einen QR-Code zu einer APP für das Smartphone, in der die neuesten Interaktionen zu sehen sind. So sind Segler auf dem laufenden, wo die Orcas gerade „spielen“, Verhaltensvorschläge für Boote gibt es auch. Interessant wären Seekarten, in denen alle Interaktionen als Hotspots zusammengefasst würden, eventuell nach Jahreszeiten. So könnten Segler entscheiden, ob sie diese meiden wollen/können.

Die Arbeitsgruppe hat dem Ministerium in Madrid vorgeschlagen, die Orcas mit Lauten von Pilotwalen zu vertreiben. In der Straße von Gibraltar kommt es manchmal vor, dass die Orcas von Pilotwalen verfolgt werden. Leider hat das zuständige Ministerium nicht darauf reagiert, den Zuschlag bekam das Projekt mit dem Senderbeschuss. Es ist wohl einfacher einige Orcas zu nerven, als die nötige Hardware auf vielen Segelbooten vorrätig zu halten.

Eine mögliche Anpassungsstrategie für Segler die regelmäßig in Orca-Gewässern unterwegs sein wollen, wäre die Ruderanlage zu modifizieren, so dass das Ruderblatt hochgeschwenkt werden kann. Alternative wäre das Blatt vom Steuermechanismus lösen zu können, so dass es frei schwingt und die Orcas das als Erfolg verbuchen und ablassen.

Ins Wasser ragende Metallstangen, die mit kleinem Hammer „bearbeitet“ werden um Laute zu erzeugen, werden in Canada genutzt, um Schwertwale zu vertreiben.

Diesen Sommer konnten wir insgesamt 20 Schwertwale vom 05.07 bis zum 20.08 identifizieren, 10 davon wenden sich gerne Booten zu. Obwohl jeden Tag Segler in der Straße von Gibraltar unterwegs waren, kam es nur zweimal zu physischem Kontakt, einen haben wir oben beschrieben.

Falls Segler sich in der Lage wiederfinden, vor der Iberischen Halbinsel von Schwertwalen „beschnuppert“ zu werden, so wie sie es unter unserem Boot tun (allerdings ohne uns anzurempeln), empfehlen wir, wenn vorhanden, die GoPro ins Wasser zu halten, und den Enkeln davon zu erzählen. Zugegeben, sie sind entspannter anzusehen, wenn sie nicht am Ruder knabbern. Aber auch so ist es ein Erlebnis, manchmal kostenintensiv, aber trotzdem atemberaubend und schön.

 

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Quelle: Text-Fotos Firmm-Jörn Selling