Sommer, Ferienzeit – aber so manch einer sucht im Urlaub nicht nur Entspannung am Strand. Jetzt ist auch Hochsaison für die Beauty-Partys der vermeintlich Reichen und vielleicht bald nur noch Halb-Schönen. Wer sich in Marbella, Málaga oder auf Mallorca umsieht, entdeckt immer öfter Pool-Events, bei denen zum Cocktail nicht nur wiederverwendbare Bambus-Strohhalme gereicht werden – sondern auch die Botox-Spritze auf der Sonnenliege. Schnell, günstig, diskret. Und manchmal: brandgefährlich.
Denn nicht immer ist klar, was genau gespritzt wird – und von wem. Gefälschte Botox-Produkte oder billige Ersatzstoffe für Hyaluron sind längst auf dem europäischen Markt angekommen. Die Injektion kann Infektionen, allergische Reaktionen, Nervenlähmungen, Gefäßverschlüsse oder sogar Erblindung verursachen – vor allem, wenn sie von Personen verabreicht wird, die weder Ärzte sind noch über eine Zulassung verfügen.
Natürlich ist nicht jede Beauty-Party illegal. Aber wer sich schon im Urlaub verschönern lässt, sollte mindestens so sorgfältig vorgehen wie beim Hotelbooking: Woher stammt das Präparat? Ist es zugelassen? Und darf die Person, die da spritzt, das überhaupt?
In La Cala de Mijas wurde 2023 eine Frau verhaftet, nachdem sie in einem Ferienapartment über 100 Personen mit angeblich medizinischen Präparaten behandelte – darunter Botox- und Hyaluron-Injektionen, die sie ohne Zulassung und ohne medizinische Ausbildung verabreichte. Die Ampullen kamen aus dubiosen Onlinequellen, die Kühlung erfolgte – nach Aussage von Ermittlern – „gemeinsam mit der Mayonnaise im Kühlschrank“. Lizenzen? Fehlanzeige. Hygiene? Improvisiert.
Auch Hyaluron ist betroffen: Statt hochwertiger Produkte tauchen immer öfter billige Fälschungen auf – etwa industrielles Silikon oder Paraffinöl. Auf Gran Canaria spritzte 2024 eine falsche „Ärztin“ 37 Frauen flüssiges Silikon ins Gesicht – viele mussten notoperiert werden. In Düsseldorf wurde eine Kosmetikerin verurteilt, nachdem ihre Behandlungen zu Gewebsnekrosen führten. Besonders gefährlich: Injektionen im Bereich der Augen oder Nase. Ein falscher Stich – und es drohen dauerhafte Schäden bis hin zur Erblindung.
Der globale Markt für Plagiate im Arzneimittelbereich hat laut WHO ein Volumen von 432 Milliarden US-Dollar – mehr als der weltweite Waffenhandel. Gefälscht wird, was teuer, knapp oder begehrt ist: Viagra, Botox, Ozempic, Hyaluron, Krebsmedikamente, Antibiotika. Rund 10 % aller Medikamente weltweit gelten laut Interpol als Fälschungen. In Europa liegt der Anteil offiziell bei etwa 1 %, Tendenz steigend.
Produziert wird meist in China, Indien, der Türkei oder dem Iran, und gelangt über Hongkong, Mexiko oder die VAE nach Europa. Die Verteilung läuft über illegale Online-Apotheken, soziale Netzwerke und Paketdienste.
Europa versucht gegenzusteuern: Jede legale Medikamentenpackung trägt inzwischen einen Data-Matrix-Code. In Spanien verwaltet SEVeM über 7,3 Milliarden Verpackungen und hat über 3,2 Milliarden Verifizierungen registriert – bei einer Fehlalarmquote von nur 0,044 %. Doch diese Systeme greifen nur im legalen Vertrieb.
Im Schattenmarkt sieht es anders aus: Bei der EU-weiten Operation SHIELD V wurden 2024 gefälschte Arzneimittel im Wert von 11,1 Millionen Euro sichergestellt. Es gab 418 Festnahmen, 52 kriminelle Gruppen wurden zerschlagen. Auch Spanien war betroffen – mit illegalem Botox, geliefert von dubiosen Importeuren aus Südkorea.
Und Deutschland? Dort warnte das Paul-Ehrlich-Institut Anfang 2025 vor gefälschtem Ozempic – eigentlich ein Diabetesmittel mit dem Wirkstoff Semaglutid. Stattdessen war Insulin enthalten. Folge: teils lebensgefährliche Unterzuckerungen. Die Nachfrage ist hoch – nicht nur bei Diabetikern, sondern auch bei Abnehmwilligen. Auf TikTok & Co. wird Semaglutid als „Wundermittel“ gefeiert – ein gefundenes Fressen für Fälscher.
Europaweit wurden 2023 481 pharmazeutische Straftaten registriert – ein Anstieg von 73 %. Weltweit waren es 6.900 Fälle mit 4.900 Festnahmen. Die WHO fordert mehr Aufklärung, stärkere Grenzkontrollen und striktere Online-Überwachung.
Denn das größte Risiko liegt längst nicht mehr in Asien – sondern auf dem Smartphone. Die Injektion aus dem Kofferraum, der Beauty-Booster vom Telegram-Kanal oder das vermeintliche Wundermittel aus dem Social-Media-Shop: All das sieht auf Instagram hübsch gefiltert aus. In der Realität ist es oft falsch dosiert, verunreinigt oder schlicht brandgefährlich.
Ob falsches Botox auf der Poolliege oder billige Arzneimittel aus dem Internet – in beiden Fällen gilt: Billig gekauft, teuer bezahlt. Mancher Schönheitsschaden ist nur der Vorbote eines echten Gesundheitsnotfalls.