Schön warm war es diesen Sommer im Mittelmeer, da kam bei vielen Badenden „Karibik feeling“ auf. Laut Forschenden aus Spanien ist Anfang Juli dieses Jahres der bisherige Rekord aus dem Jahr 2003 übertroffen worden. Es geht nicht um einen Rekord an einer einzelnen Messstation, sondern um einen Wert, der aufzeigt, wie sehr sich das Mittelmeer in diesem Jahr insgesamt aufgeheizt hat. Mit einer Mediantemperatur von 28,71 Grad Celsius wurde der bisherige, aus dem Jahr 2003 stammende Höchstwert (28,25 Grad) um fast ein halbes Grad übertroffen. Vor 25 Jahren waren marine Hitzewellen Ausnahmen, jetzt werden sie zur Normalität. In den vergangenen Jahren gab es fast jedes Jahr Hitzewellen in Teilen des Mittelmeers.

Laut derzeitigem Stand der Forschenden ist auch der menschengemachte Klimawandel mitverantwortlich für die Erwärmung der Ozeane u. Meere, die in verschiedenen Regionen der Erde beobachtet wird. Die überdurchschnittlichen Meeresoberflächentemperaturen sind demnach eine Konsequenz aus dem Zusammenspiel des globalen Erwärmungstrends mit den natürlichen Schwankungen der Ozeane. Als wichtigster Treiber für die Erwärmung der Meeresoberfläche gilt die Sonneneinstrahlung. Im Mittelmeerraum gibt es jedoch zusätzliche regionale Faktoren. Dazu gehören eine geringe Bewölkung, niedrige Windgeschwindigkeiten u. geringere Meeresströmungen, die alle die Speicherung u. Verstärkung der Hitze in der Region begünstigen. Im Juli wurde in Spanien eine Studie veröffentlicht, wonach sich das Wasser im westlichen Mittelmeer mit einer Geschwindigkeit von etwa zwei Grad Celsius je 100 Jahren erwärmt. An einigen Stellen wie bei L’Estartit an der Costa Brava seien es sogar drei Grad pro Jahrhundert, schrieben die Forschenden des Meeresforschungsinstituts ICM-CSIC im Journal of Marine Science and Engineering. Die hohen Wassertemperaturen haben eine ganze Reihe von gravierenden wasserchemischen Konsequenzen. Durch die hohe Verdunstung steigt der Salzgehalt des Wassers. Zusätzlich können sich in wärmer werdendem Wasser immer weniger Gase wie Sauerstoff u. Kohlendioxid lösen. Das kann dazu führen, dass der Sauerstoff, der sehr wichtig für die Atmung der Meerestiere ist, knapp wird. Vor allem die Meeresorganismen sind negativ betroffen, die besonders empfindlich auf hohe Wassertemperaturen, hohe Salzgehalte, u. niedrige Sauerstoffkonzentrationen reagieren. Dazu gehören unter den Tieren viele Stein-, Weich-, u. Hornkorallen, Muscheln, Seesterne, Seeigel, u. Schwämme sowie unter den Pflanzen vor allem Seegräser. Leider sind darunter auch sogenannte wichtige Ökosystemingenieure, das heißt Organismen wie Korallen u. Muscheln oder Seegräser, die Lebensräume für andere Organismen schaffen. Das Mittelmeer beherbergt trotz seiner vergleichsweise geringen Größe eine große Biodiversität. Sieben bis zehn Prozent aller bekannten marinen Arten kommen dort vor, viele davon sind endemisch, leben also nur dort. Ist das Wasser für mehrere Wochen oder Monate ungewöhnlich warm, kann es zu Massensterben kommen, wie etwa im Sommer 2003 oder 2022. Dabei starben Tiere u. Pflanzen verschiedenster Gruppen in großen Mengen ab. Marine Hitzewellen können schädliche Folgen für die marinen Ökosysteme, die biologische Vielfalt u. menschliche Aktivitäten haben, die eng mit ihnen verbunden sind – zum Beispiel die Nahrungsmittelversorgung, den Tourismus u. die Freizeitgestaltung. Darüber hinaus können sie zu Krankheitsausbrüchen führen u. Verschiebungen in der Verteilung von Meerestieren wie Korallen, Seegräsern, Fischen u. Mollusken (Weichtieren) bewirken. Sauerstoffmangel u. eine beeinträchtigte Wasserqualität sind weitere Folgen. Außerdem können diese Ereignisse schädliche Algenblüten auslösen, die Giftstoffe produzieren können. Abgesehen von den ökologischen Auswirkungen haben marine Hitzewellen auch das Potenzial, die Produktivität der Fischerei zu verringern u. die Leistung von Aquakulturanlagen zu beeinträchtigen.

Mit Blick auf die Zukunft hängen die prognostizierten Veränderungen von den verwendeten Treibhausgasemissionsszenarien u. Klimamodellen ab. Dennoch deuten die Anzeichen auf eine weitere Eskalation des Auftretens, der Intensität u. der Dauer mariner Hitzewellen im Mittelmeerraum hin. Diese Ereignisse könnten bis zu drei Monate länger andauern u. etwa viermal intensiver sein als die heutigen Ereignisse. Der vorhergesagte Zeitrahmen für ihr Auftreten würde sich hauptsächlich von Juni bis Oktober erstrecken u. das gesamte Mittelmeerbecken erheblich beeinträchtigen.

Grundsätzlich kann man die Lebensräume des Mittelmeers nicht direkt gegenüber Hitzewellen schützen, aber man kann sie stärker gegen den Hitzestress machen. Dazu gehört, dass die Verantwortlichen versuchen sollten, alle Faktoren, die die Algen im Wettbewerb mit Seegräsern u. lebensraumbildenden wirbellosen Tieren wie Hornkorallen zusätzlich stärken, zu minimieren. Dass der Eintrag von Nährstoffen aus Landwirtschaft, Tourismus u. Küstenentwicklung reduziert wird. Außerdem muss die im Mittelmeer besonders gravierende Überfischung stark verringert werden. Wenn dies gelingt, dann können sich die typischen Mittelmeer-Lebensräume besser gegen die negativen Folgen der Meereserwärmung wehren. In erster Linie muss aber natürlich der Klimawandel bekämpft werden, denn er führt zur Meereserwärmung als das grundlegende Problem, auch für das Mittelmeer.