Der Regen kam – und mit ihm die Hoffnung. Nach Monaten der Trockenheit füllten sich im März und April 2025 vielerorts die Stauseen, teils auf über 74 % ihrer Kapazität. In Andalusien, Katalonien und Murcia atmeten viele auf. Doch wie so oft in Spaniens Wasserpolitik scheint der erste Eindruck trügerisch. Die Freude über die Regenschauer ist zwar groß, doch die Wasserkrise bleibt ungelöst. Denn die eigentlichen Ursachen liegen nicht nur im Himmel, sondern auch auf dem Acker.
Im März 2025 veröffentlichte die NASA eine Risikokarte, die Regionen zeigt, die künftig unter extremer Hitze, Trockenheit und Wasserstress leiden werden. Spanien zählt zu den Hotspots. Besonders betroffen sind: Andalusien, Levante, Castilla-La Mancha – und selbst Madrid. Bereits heute verzeichnen diese Gebiete 30 % mehr extreme Dürreperioden als noch in den 1980er Jahren. Sollte der CO₂-Ausstoß nicht sinken, warnen NASA und ESA, könnten bis 2050 bis zu 80 % der landwirtschaftlich genutzten Flächen Südspaniens verloren gehen – zu heiß, zu trocken, zu salzig. In einigen Regionen sei mit einer durchschnittlichen Sommertemperatur von über 35 °C zu rechnen. Das hat nicht nur Folgen für Tomaten und Oliven, sondern auch für die Menschen: Hitzestress, Wasserknappheit und ein Rückgang bewohnbarer Flächen könnten zu klimabedingten Abwanderungen führen.
Doch nicht nur der Klimawandel, sondern auch die intensive Landwirtschaft trägt entscheidend zur Krise bei. Spanien bewässert offiziell über 4 Millionen Hektar Agrarfläche – inoffiziell dürften es mehr sein. Über eine Million Hektar gelten als illegal bewässert, darunter allein 8.000 Hektar in Murcia. In der Axarquía sorgten Berichte aus 2023 und 2024 für Aufsehen: Dort wurde Wasser aus dem Río Guaro für Avocadoplantagen entnommen – ohne Genehmigung. Sicher ist: Die Landwirtschaft verschlingt über 85 % der Wasserressourcen. Und selbst UNESCO-geschützte Feuchtgebiete wie der Doñana-Nationalpark bleiben nicht verschont: Hier ist der Grundwasserspiegel in Mazagón um mehr als zehn Meter gesunken. Wo einst Flamingos lebten, herrscht heute ökologischer Ausnahmezustand.
Das Muster ist bekannt: industrielle Landwirtschaft, exportorientierte Monokulturen, Grundwasserraubbau. In Almería – Heimat der größten „Plastikfolien-Gewächshäuser“ Europas – stammt 80 % des eingesetzten Wassers aus überstrapazierten Grundwasserreservoirs. Die Folgen? Versalzung, Versickerung, Versagen. Angesichts des Trinkwassermangels wird zunehmend Meerwasser entsalzt – zum Beispiel in Carboneras, Almería, wo eine der größten Entsalzungsanlagen Europas betrieben wird und dabei das nächste Umweltproblem aufwirft: Treibhausgase. Doch damit nicht genug: Wasser wird nicht nur verbraucht – es wird auch verschmutzt. 37 % des spanischen Grundwassers überschreiten die Nitrat-Grenzwerte der EU.
Der Staat reagierte bereits 2023 mit verschiedenen Ankündigungen – jedoch ohne Konsequenz. Neue Bewässerungsprojekte, Subventionen für Hightech-Farmen und halbherzige Umweltauflagen wurden präsentiert, blieben aber im Kern dem alten Modell verpflichtet: Wachstum um jeden Preis. Viele Agrarbetriebe produzieren für den Export nach Deutschland, Frankreich oder die Niederlande, was die Absurdität der Situation noch deutlicher macht. Supermärkte in Nord-Europa verkaufen spanische Erdbeeren, Salat und Avocados das ganze Jahr über. Die industrielle Landwirtschaft zeigt sich resistent gegenüber dringend notwendigen Veränderungen, was die Situation weiter verschärft.
Der Europäische Gerichtshof verurteilte Spanien schließlich 2024, da das Land gegen die EU-Nitratrichtlinie verstößt. Es wurde aufgefordert, die Nitratbelastung in landwirtschaftlich genutzten Gebieten zu reduzieren und wirksamere Schutzmaßnahmen für Gewässer umzusetzen. Sollte Spanien diese Vorgaben nicht erfüllen, drohen Strafen, die den Druck auf das Land weiter erhöhen könnten. Besonders dramatisch ist die Lage am Mar Menor, wo Düngemittelrückstände aus der Landwirtschaft Algenblüten und Artensterben verursachen. Die größte Salzwasserlagune Europas ist mittlerweile ein erschreckendes Beispiel für ökologisches Missmanagement.
Trotz des ausgiebigen Regens im März und April bleibt die Krise bestehen. Denn Regen ist keine Lösung, solange sich Spaniens Politik weiter auf symbolische Erleichterungen verlässt, statt endlich mutige und tiefgreifende Reformen umzusetzen. Der Wasserstress wird nicht einfach verschwinden – er wird zunehmend die Zukunft ganzer Regionen verschlingen.